Graphiken aus der Welt der Arbeit

Polysius Neubeckum und „ club 64"
eröffnen die Ausstellung im „studio 18" in Ahlen

Ahlen. Kraftvolle Impulse, wie aus den Bildern und Graphiken Wolfgang Frägers, Bönen, selbst dem Laien spürbar sind, nannte Direktor Helming von der Firma Polysius Neubeckum anläßlich der Eröffnung von Werken des westfälischen Meisters im Studio 18 in der Hellstr. 18 am Sonntag als wesentlichen Inhalt der gezeichneten Kunstwerke. Die Zustimmung der Gäste dieser kleien Festversammlung, unter ihnen Kreisheimatpfleger Dr. Almer, Beckum, VHS Leiter Germer, der Leiter des Schul- und Kulturamtes, Stadtamtmann Post, als Verreter der Stadtverwaltung Ahlen sowie viel Mitglieder und Freunde des „club 64" bestätigte dem anwesenden Künstler, daß es ihm gelungen ist, durch seine Werke den Menschen unmittelbar anzusprechen.

Clubleiter Gert Dietz wußte allen Freunden seines Kreises, die die Ausstellung gestalten und einzurichten halfen, sowie der Firma Polysius, die sich als Mäzen fördernd und helfend für diese Ausstellung eingesetzt hat , Dank zu sagen für ihre uneigennützige Mitwirkung, die das Gelingen dieser Veranstaltung sicherstellte.

Ein besonderes Dankeswort galt den Hausherren Goldschmiedemeister W.Fischer und Frau Anny. Sie stellten ihre Räume für diesen Querschnitt aus der Arbeit eines Künstlers unserer Heimat zur Verfügung.

Dr. phil. Ulrich Gehre, Oelde, gab in seinem Festvortrag eine grundlegende Einführung in das Wirken von Wolfgang Fräger. Nach zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland sei es in einer Stadt wie Ahlen, in der sich die Zeichen industrieller Arbeit, Fabriken und Schlote so stark konzentrieren, besonders bedeutsam, eine Ausstellung von Kunstwerken aus der Welt der Arbeit sehen zu können. W. Fräger fühlt sich dem Industriearbeiter besonders verbunden, war er doch selbst lange Zeit im Steinkohlenbergbau tätig, namentlich um die Welt des Bergmann zu erforschen.

Die harte Arbeit der Menschen und die Faszination der industriellen Landschaft finden in den meisten der ausgestellten Werke eine überzeugende Aussage. Unter Verzicht auf das Detail beschränkt Fräger sich auf die symbolhafte Charakterisierung des Erlebten. Zur künstlerischen Darstellung verwendet er sowohl die kontrastierend graphische schwarz-weiß-Technik, wie er sich auch der Farbe in ihren zartesten Pastelltönen als Gestaltungsmittel bedient. Dabei spricht aus seinen Werken ein spürbarer Optimismus, der im Betrachter das Mit- und Nacherleben weckt in Linien, Formen und Farben.
Der Rahmen des "studio 18" ist von der Ausstellungsleitung bewußt nicht überschritten worden. So wurde aus gutem Grund auf die berühmten Zyklen des westfälischen Meisters verzichtet, die in umfangreichen Bildgruppen die Passion und andere Themen aus der hl. Schrift versinnbildlichen. Über sechzig Blätter des Künstlers und mitten in den freien Raum gestellt einige wenige Plastiken dokumentieren die den Menschen tagtäglich umgebende Arbeitswelt und lassen das künstlerisch symbolisierte Erlebnis nachempfinden.
Lediglich das Lieblingsthema Wolfgang Frägers, Insekten und Tiere, fand zusätzliche Berücksichtigung vorwiegend in Kupfertechnik, die, so bekannte Fräger im persönlichen Gespräch, „mir auch von der Möglichkeit der gestalterischen Darstellung des flächig-glatten Insektenkörpers und im Kontrast dazu der filigranen Beine, Fühler, Haare und Netzflügel her immer wieder die Intuition zur graphischen Aussage gab."
Die Ausstellung der Blätter und Plastiken Wolfgang Frägers ist bis zum 6. Juli noch im „studio 18" zu sehen. -hs

Bericht in der "Glocke" von Karl-Ludwig Hansen vom 20. Juni 1966



Dokumente der industriellen Arbeitswelt
Zur Ausstellung Wolfgang Fräger im "studio 18" in Ahlen

Es ist ein dankenswertes und sinnvolles Unterfangen, in einer Stadt, in der Schlote und Fördertürme so entschiedene Akzente setzen wie in Ahlen, eine Überschau über das Werk des Grafikers Wolfgang Fräger zu vermitteln. Was sich in der zweckvollen Klausur des „studio 18" in diesen Wochen (bis einschl. 5. Juli) präsentiert, ist eine kleine, dabei aber sehr exemplarische Auswahl, die für einen verbindlichen Eindruck ausreicht. Sie macht den Betrachter mit den wesentlichsten Errungenschaften des heute 43 Jahre alten, aus Bergkamen stammenden Künstlers bekannt, der an der Dortmunder Werkkunstschule bei Herricht und Guggenberger die entscheidenden Studien absolvierte.
Nach verschiedenen Einzelausstellungen in westfälischen Städten und in Skandinavien gelang Fräger 1960 mit einer Hammer Ausstellung „Zwischen zwei Lichtern" der entscheidende Durchbruch. Damals zeigte die Kollektion seiner Blätter, welch ein ungewöhnliches Talent da in der Stille seines Bönener Ateliers herangereift war. Westfalen ist stolz auf Fräger, den es seither zu den profiliertesten Künstlern unserer Zeit zählt.
Die moderne Arbeitswelt hatte Fräger, der „Grafiker aus Leidenschaft", der sich nicht auf Erzählungen und Erinnerungen verlassen wollte, auf Zechen in Mark und Pelkum vor Ort studiert und sich freiwillig den harten Bedingungen des Werkens unter Tage unterworfen. Jedes Blatt, das er als Ernte dieser entbehrungsreichen Zeit einbrachte, trägt, wie die Ahlener Ausstellung beweist, die unbeirrbar persönliche Handschrift. Seine Blätter gewinnen in ihrer formelhaften Verkürzung der Objekte den Charakter des Gleichnisses und erheben den jeweiligen Gegenstand in die Wertstufe des Symbols. Die gedankliche Dichte seines Programms wird enorm gesteigert. Dabei leugnet Fräger in keinem Augenblick die ganz persönliche Position, aus der heraus seine Bilder erwachsen sind und verstanden sein wollen. Es ist vielleicht der durchaus optimistische Grundzug in seinen Arbeiten, der so wohltuend berührt. Sicher ist es kein Zufall, daß der Künstler immer wieder den Weg zur Farbe sucht und findet, zu einer Farbe, die er in lockeren, lichten Tönen in seinen Holzschnitten und Radierungen handhabt.
Wolfgang Fräger hat in einer Zeit vorwiegend unverbindlicher Formentwicklungen den Mut zur kompromisslosen Ausschließlichkeit bewiesen. Für ihn ist die Welt der Arbeit, die er über und unter Tage in einer geradezu bekennerhaften Leidenschaft schildert, nicht eine kaum zu ertragende Last, sondern eine unerlässliche Notwendigkeit, die erst die Voraussetzung unserer Existenz schafft. Rungenwagen und Förderkörbe, Hochspannungsleitungen und Streben, Schachtgerüste und Strecken sind bei ihm nicht seelenlose oder gar feindlich gesinnte Objekte, sondern Geräte, die sich hilfreich anbieten im Kampf um das Dasein, Gegenstande, die der Künstler gleichsam humanisiert wie die Radscheiben jenes Förderturms, in denen er die Analogie menschlicher Augen erkennt.
Im farbigen Holzschnitt, im reinen Schwarzweiß, in der Radierung und in den grafischen Mischtechniken behandelt Fräger seine Themen. „Ruhrland", „Bergmannsfamilie", „Der Mensch in der Industrie", „Unter Tage", „Technik im Bergbau" — das sind die großen Bereiche seiner klassischen Epoche, die im wesentlichen in der Ahlener Ausstellung angesprochen wird. Die Menschen seiner Umwelt stellt er, nicht ohne liebevolle Teilnahme an ihren Schicksalen, im Zustande des Wartens, des Lesens, beim Spielen dar und erhellt auf diese Weise unaufdringlich die gefahrumstellte Situation der Menschen, ohne sie dabei zu heroisieren.
Am Rande des bisherigen künstlerischen Weges, an dessen Beginn eine in ihrer Eindringlichkeit tief ergreifende, in Ahlen aber aus Raumgründen ausgeklammerte Passion steht, ergeben sich die seltsamen Gebilde neuer Insekten-Zyklen. Hier interessiert den Grafiker die seltsame Zuordnung gedrungener Körper, dicker Köpfe und graziler Gliedmaßen, die er in der Art prähistorischer Höhlenmalereien abbildet. „Es war zuweilen unheimlich", so erinnert sich Wolfgang Fräger an seine Zeit unter Tage. „Ich kam mir tief unten im Flöz wie eine Fliege im Bernstein vor..." Wie die Fliege im Bernstein — auch sie, gedrängt und gequetscht unter dem umgebenden Material des goldgelben Harzes wie der Bergmann im Kohlestollen, aber selbst in diesem Zustand, auch im ästhetischen Sinne, noch ein Geschöpf Gottes. Sollten wir uns nicht bemühen, von hier aus den Schlüssel zu jenen Erscheinungen zu finden, die sich für den Betrachter auf den ersten Blick nur schwer einordnen lassen in die typischen, unverwechselbaren Frägerschen Themenkreise?
Zusammen mit den grafischen Blättern ist im „studio 18" eine Reihe von Metallplastiken zu sehen, dreidimensionale Arbeiten, denen sich Fräger in letzter Zeit ebenso eifrig zuwendete wie dem der Grafik in vielerlei Beziehung verwandten Mosaik.
Wie wird es weitergehen? Eine Frage, auf die wir und vielleicht der Künstler selbst kaum eine Antwort zu geben wissen. Sicher ist wohl — und zu dieser ermutigenden Feststellung berechtigt der bisherige Werdegang Frägers —, daß er mit unendlichem Fleiß und mit unbestechlicher Gradlinigkeit weiter den Weg gehen wird, den allein das Talent ihm befiehlt. Konzessionen hatte er bisher nicht nötig und wird nach menschlichem Ermessen auch in Zukunft zwischen Dada und Pop kaum darauf angewiesen sein.
Unbestreitbar ist schon heute — auch das lehrt die Ahlener Überschau — die historische Position, die er innerhalb unserer Kunstentwicklung mit seinen Arbeits- und Industriezyklen einnimmt. Vergleichbar dem Landsmann Fritz Winter, hat auch er unter der grauen Dominante der Zechenlandschaft die Welt der Farben neu entdeckt und uns die verloren gegangene Kunst des unbefangenen Sehens wieder gelehrt. Auch auf den Halden wachsen bunte Blumen. Die farbenseligen Blätter im „studio 18" beweisen es. In einer Zeit, in der das Damoklesschwert lähmender Streiks uns bedroht und leidenschaftliche Erörterungen von Krisen uns verwirren, heißt uns das hoffen! Dr. U. G.


Die Ausstellung wurde verlängert

Ahlen. Die Ausstellung im "studio 18" an der Hellstr. wird wegen der besonders hohen Besucherzahlen verlängert. Die Werke von Wolfgang Fräger können noch bis zum 13. Juli besichtigt werden. Die Öffnungszeiten bleiben unverändert.

Unbestreitbar ist schon heute - auch das lehrt die Ahlener Ueberschau - die historische Position, die er (Wolfgang Fräger) innerhalb unserer Kunstentwicklung mit seien Arbeit und Industriezyklen einnimmt. Vergleichbar dem Landsmann Fritz Winter, hat auch er unter der grauen Dominante der Zechenlandschaft die Welt der Farben neu entdeckt und und die verlorengegangene Kunst des unbefangene Sehens wider gelehrt. Auch auf den Halden wachsen Blumen. Die Farbenseligen Blätter im „studio 18" beweisen es.

Jahreszyklus von
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