„Spiegelbild des Kunstsinns in Gold und Silber"

schreibt Gerd Dietz in der „Glocke" über die Ausstellung im Ahlener „studio 18" mit Arbeiten aus 40 Meisterbetrieben.

Ahlen Aus Meisterbetrieben des Gold- und Silberschmiedehandwerks im Bereich der Handwerkskammern Münster und Bielefeld (und einigen namhaften Goldschmieden anderer Innungen) sind im Ahlener „studio 18" mit Sorgfalt und Geschick vielfache Zeugnisse kunstsinnigen Geschmacks und kunsthandwerklicher Fertigkeit zusammengetragen worden. Darauf ist schon nach der Eröffnungsfeier, die den „studio"-Bestrebungen viel Anerkennung eingebracht hat, hingewiesen worden. Es lohnt sich also ein in Muße und Stille vollzogener Gang durch die Ausstellung an der Ecke Hellstraße und Kühl, wo Silberschmuck und Weißgoldarbeiten schon die Schaufenster empfehlend schmücken.

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In allen Fällen braucht der Gold- und Silberschmied dabei die angeborene Neigung zum gestaltenden Tun, Geduld und eine ruhig lenkende Hand, und er hat auch Stilistisches ebenso wie fortschreitend technisch Neues im Auge zu behalten. Er wird Zeitloses ebenso zu schaffen haben wie Zeitgültiges, wobei heute längst das überschwänglich Ornamentale überwunden und das Bemühen um Sachliches vorherrschend ist. Immer aber muß das schmückende Element erkennbar sein. Gesetze von Symmetrie und Geometrie haben allerdings ebenfalls für dieses Kunsthandwerk maßgebende Geltung. Wie abwechslungsreich und aussagekräftig unter Berücksichtigung all dieser Erfordernisse die Arbeiten von mehr als 40 Meistern sind, zeigen Ringe, Colliers, Agraffen, Armreifen oder der schön von Natur gemaserte Dentrit als Anhänger. Es werden Vollzuchtperlen, Brillanten, aber auch Schmucksteine wie Turmaline verarbeitet. Natürliche Schmelzformen blieben berücksichtigt, und die Technik unserer Tage bot Vorbilder für die Anstecknadel aus lauter goldenen Röhrchen oder die Golddrähtchen auf verschiedenen Ebenen und gelegentlich auch geradezu bildhauerische Modulationen. Vom auch im Schmuck noch vorhandenen „Gelsenkirchener Barock" über das Tragbar-Seriöse bis zum mutig Experimentellem führt der Weg, vom Buntfarbig-Warmen bis zum Kühl-Eleganten (wie bei Anni Wulff, früher bei Werner Fischer in Ahlen und jetzt selbständig in Münster). Manches aus diesen Vitrinen könnte schon die Oma getragen haben, Anderes verlangt Mut von der Trägerin und viel Geld vom Eheherrn.

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Uns schien erkennbar: Vielleicht und so sagt es auch „studio"-Chef Werner Fischer, wird der Goldschmied eines nichtfernen Tages auch mit hochwertigem Edelstahl, zusammen allerdings mit Gold und Silber seine Werke schaffen, in einer Kombinationstechnik, die auch in dieser Ausstellung nicht selten zu sehen ist, so wie auch Unsymmetrisches in mildernd symmetrischem Rahmen. Prachtstück in getriebenem Silber: Ein Bielefelder Wappenteller, der in rund 308 achtsamen Arbeitsstunden entstanden ist.

Plastiken in Metall und Terrakotta stellte unter mancherlei „Grenzschwierigkeiten" die Freie Akademie im niederländischen Den Haag zur Verfügung. Dort scheint die Kunst übrigens Mäzene in der Industrie recht zahlreich zu finden: ein Industrieherr ließ sogar die Umsatzkurve seines Werkes auf gediegener Eiche in Gold- und Silberdarstellung demonstrieren!

Bis zum 28. Dezember bleibt die Ausstellung im „studio 18" geöffnet.

Aussteller Goldschmiedeinnung Münster

Bach-Wild, Münster
Werner Fischer, Ahlen
Heinz Geilsdorf, Burgsteinfurt
Werner Groneck, Münster
Friedrich Gebhard. Roxel-Altenroxel
Hugo Lanwer, Coesfeld
August Raring, Hiltrup
Anni Wulff, Münster

Aussteller Goldschmiedeinnung Bielefeld

Otto Hahn, Bielefeld
Wilhelm Holtmann, Bielefeld
Herbert Loewe, Brackwede
Bernhard Nagel, Bielefeld
Hans Nakath, Lemgo
Nölke, Bielefeld
August Schlüter, Bielefeld
Helmut Schürmann, Bielefeld
Elisabeth Westerfellhaus, Avenwedde

Bekannte Goldschmiede in der BRD

Werner Abel, Stetten bei Meersburg
Herbert Fischer, Schwäbisch Gmünd
Kinast-Bantau, Worms
Burkhard und Monika Oly, Wirtheim
Hartfried Rinke, Worbswede
Käthe Ruckenbrod, Ziegelhausen
Kurt Weinland, Berlin

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da später erstellt.

Schmuck-Zeichen der Zeit
Zur Ausstellung der Goldschmiedearbeiten im Ahlener „studio 18"

AHLEN (gs). Arbeiten aus 40 Goldschiniedemeister-Werkstätten der Kammerbezirke Münster und Bielefeld sind zur Zeit im "studio 18" ausgestellt. Die Ringe, Hals- und Armbänder, Colliers und Anstecknadeln geben einen umfassenden Einblick in den Stand jener Kunst, die sich schon immer um eine besondere Stellung innerhalb des Kunsthandwerkes bemühte und die bisher mehr im Verborgenen blühte. Goldschmiede, so sagt man, seien publikumsscheu, sie sprechen durch ihre Werke zur Öffentlichkeit.
Jetzt scheint sich auch hier ein Wandel zu vollziehen. Der Präsident des Verbandes, Heinz Mohr, sprach während der Ausstellungs-Eröffnung am vergangenen Sonntagmorgen (AV von gestern) ausführlich über die vielen Möglichkeiten, die Gold- und Silberschmiede haben, an die schmuckliebende Öffentlichkeit zu treten. Eine Ausstellung, wie jene im „studio 18", ist nur eine davon, wenngleich auch die informativste.
Einerseits bekommt der Laie einen Überblick über das kunstschaffende Anliegen der Gold- und Silberschmiede. Auch sie unterstehen den stilprägenden Zeitströmungen. Andererseits können sich die Meister selbst Anregungen vom „Kollegen" holen.
Wie ausgeprägt der vom technischen Zeitalter bestimmte Stil innerhalb der Gold- und Silberschmiedekunst ist, beweisen sehr schön die Arbeiten aus verschiedenen Werkstätten: weg vom
barocken Schnörkel, dafür klassische Sachlichkeit unter Ausschmückung des schmückenden Elementes der kostbaren Materialien.

Edelsteine beispielsweise brauchen nicht mehr in Facetten geschliffen zu werden. Man nutzt die natürliche Form aus, aber berücksichtigt Einschlüsse und Flüssigkeitsfäden. Derartig bearbeitete Steine passen harmonisch in Goldfassungen, die auf besondere Weise entstanden. Bei der Formgebung achtete man auf die Formen, die durch den Schmelzprozess entstanden. Nach Meinung der Experten gehört zu dieser Formgebung, die nicht mehr unter dem direkten Einfluss des Goldschmiedes steht, höchste künstlerische Reife und Einfühlungsvermögen in Formmöglichkeiten, die ein bestimmtes Material als Inhalt hat. So werden Perlen eingebettet in geschmorte Goldaustern, Edelsteine bilden Blüten einer natürlich gewordenen Gold-Blumenform oder einer Amethyst-Druse, die kristalline Form des Steins, wird ungeschliffen von geschmolzenem Gold gefaßt.

Der Einfluß der Technik mit ihren vielfältigen Röhren-, Barren- und Stapelformationen zeigt sich ganz deutlich bei einigen Anstecknadeln, die aus zersägten Goldröhren zusammengesetzt oder bei denen Goldstäbchen wie die Balken eines Holzstapels aufeinander geschichtet sind. Ringfassungen werden nicht mehr verschlossen. Sie bleiben offen und geben Einblick in den feinen Aufbau der Halterungen und Stützen für Stein und Fassung. Die Konsequenz der nahezu ausschließlichen Hinwendung zum technisierten Stil auch der Goldschmiedekunst wäre - wie Goldschmiedemeister Fischer erläuterte - die Verarbeitung von hochwertigem Edelstahl für Schmuckgegenstände, möglicherweise kombiniert mit Gold.

Neben den richtungweisenden Arbeiten liegen freilich auch Gegenstände in den Schaukästen, auf die ohne jede böse Absicht die Bezeichnung "Gelsenkirchener Barock" angebracht wäre. Von stilprägenden Zeiteinflüssen ist bei diesem Schmuck nichts festzustellen. Das Material wurde so verarbeitet, wie es vor 50 Jahren noch üblich war.

Eine handwerkliche Kostbarkeit ist im Kellergeschoß des Studios ausgelegt: Ein Städteteller der Stadt Bielefeld, der in Silber geschlagen und getrieben wurde. Vom Kunsthandwerk bemerkenswert deshalb, weil es sich hierbei um eine reine Ziselierarbeit handelt. Und echte Ziseleure sind selten geworden. Sie hat die Stanze brotlos gemacht. 300 Stunden waren nötig, um den Teller zu treiben.
An den Wänden des „studios 18" hängen Metallplastiken auf Eichenholz und anderen Materialien. Sie kommen
aus der holländischen freien Kunstakademie Den Haag. Bemerkenswert bei diesen Arbeiten ist, daß überwiegend die Industrie der Auftraggeber war. Und so ist in einem Werk auch die Umsatzkurve eines Unternehmens aus geätzten Gold- und Silberelementen dargestellt. In einer anderen Arbeit sind emaillierte Platten auf Holz gesetzt, hinter denen Spiegel angebracht wurden. Richtet man den Lichtschein einer Lampe auf die Arbeit, beginnen die Emaille-Plättchen zu glühen.
Eine Spielerei? Gewiss nicht. Gerade in diesen Werken aus Holland drückt sich das Anliegen der neuen Richtung aus: technische Sachlichkeit, die durch das kostbare Material allein schwingende Wärme ausstrahlt.


Zwei Schmuckstücke technisierter Stilprägung: Ein Armreif, dessen Schloss auch als Anstecknadel
getragen werden kann (links) und eine Brosche, die in der Anordnung der Goldträger nüchterne
Sachlichkeit ausstrahlt.

Sachliche Formen wertvoller Steine an einem Halsreif aus Goldband Emaille-Plättchen, hinter denen Spiegel den Lichteinfall reflektieren können. Eine besonders interessante Arbeit der Den Haager Kunstakademie, deren Direktor heute in das "studio 18" kommt.
AV-Fotos: Kowalsky