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Die Ahlener Volkszeitung berichtet:

Die Liebe währet ewiglich
Zur Ausstellung der „Liebesringe aus aller Welt" im „studio 18"

AHLEN. Liebesringe aus aller Welt und aus vier Jahrtausenden werden zur Zeit im „studio 18" an der Hellstraße ausgestellt. Ueber die Eröffnung der Ausstellung, während der dem Ehepaar Fischer für seine Initiative von Bürgermeister Linnemann und Vertretern des Gold- und Silberschmiede-Verbandes gedankt wurde, hat die AV am vergangenen Montag schon berichtet. Immerhin ist es das erste Mal, daß Liebesringe in einer geschlossenen Ausstellung gezeigt werden. Die Schmuckstücke stammen aus vielen privaten und öffentlichen Sammlungen. Dort werden sie - wie zum Beispiel im Louvre - nur mit anderen Ringen oder zusammen mit völkerkundlichen Gegenständen der verschiedenen Länder und Völker ausgestellt.
Deshalb erscheint die gegenwärtige Ausstellung im „studio 18" besonders sehenswert: Niemals vorher konnte der Interessierte sich einen geschlossenen Überblick über Liebesringe verschaffen. Gerade das aber scheint, angesichts der gegenwärtigen Forschungssituation auf diesem Gebiet unbedingt notwendig zu sein. Denn es gibt kaum Fachliteratur über jene Fingerreifen, die wie kaum ein anderes Schmuckstück so sehr die Beziehungen der Menschen zueinander zeigen. Liebesringe, das sind kunstvolle Symbole für menschliche Zuneigung, deren Empfindungen sich im Laufe der Kulturgeschichte nicht geändert haben.

Die Entscheidung, wann es sich bei dem aus grauen Vorzeiten überlieferten Fingerreif um einen Liebesring handelt, ist schwer zu treffen. Das erste Schmuckstück dieser Art im „studio 18" läßt sich mit Sicherheit etwa um die Zeit der Geburt Christi datieren. Er zeigt zugleich eines der beliebtesten Motive, das - in stilistischen Umwandlungen - heute noch erscheint: zwei ineinander verschlungene Hände, das Symbol des Gebens und Nehmens. Wie könnte wohl die Kraft der Liebe besser dargestellt werden?

Das gleiche kann man von dem Doppelring sagen, das älteste Exemplar datiert 2. Jahrhundert nach Christus, der sich allerdings im Laufe der Jahrhunderte so sehr verwandelt, daß die beiden Reifen nicht mehr nebeneinander, sondern ineinander liegen. Dadurch entsteht der Eindruck, es sei ein Ring. Teilweise lassen sich diese Ringe leicht öffnen und auf den Innenseiten werden Sprüche oder die Namen der Liebenden sichtbar. Oftmals werden auch an den Außenflächen sichtbare Spruchbänder angebracht. - Eine kleine Auswahl: „Omnia vincit amour" (ewig siegt die Liebe). Ein Ring aus dem 16. Jahrhundert trägt folgende Buchstaben: WGZF und SDMNS, d. h. „Was Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht scheiden!"
In einem Liebesring aus Frankreich steht außer Namen und Datum (8. septembre 1803) „mon amie".

Bei den Liebesringen aus den skandinavischen und baltischen Ländern finden wir keine Schriftbänder, sondern sehr oft Blütenmotive. Das Material ist meistens Silber. Ein Silberring fällt in der Ausstellung besonders auf durch Größe, Umfang und Breite. Dieser Ring soll einem evangelischen Pastor gehört haben, der ihn an minderbemittelte Brautpaare des Dorfes auslieh. Denn schon seit dem Jahre 80 nach Christus führte die christliche Kirche den Brauch ein, den Ring zu segnen. So ist es nicht verwunderlich, daß sich häufig religiöse Motive auf Ringen wiederfinden. Oftmals pilgerten die Jünglinge und Jungfrauen zu einem Gnadenbild, um ihre Entscheidung, das Leben in Zukunft gemeinsam zu gehen, unter den Schutz der Heiligen zu stellen. Die Besiegelung des Versprechens erfolgte dann am Gnadenort mit einem Ring, der der Braut verehrt wurde. Er trägt meist einen tropfenartigen roten Stein, Sinnbild des Herzens, der Liebe, des Blutes und an beiden Seiten ein M (Maria) oder zwei Kruzifixe.

Am Ende des 19. Jahrhunderts sahen geschäftige Andenkenhändler darin eine große Möglichkeit, billig aufgemachte Kopien der alten Ringe an die Brautleute zu verkaufen. Natürlich war auch der Jahrmarkt oder der Viehmarkt ein von den Eltern arrangierter Heiratsmarkt, wo dann gleichfalls „Nägel mit Köpfen" gemacht wurden. Und so finden wir im Reigen der Liebesringe Reifen mit Marktdarstellungen (St. Georgsmarkt). In Süddeutschland, wo das Damwild heimisch ist, schoß der Jungjäger den Hirsch, zog ihm die Eckzähne aus und ließ die Grandeln für seine Liebste in einen Ring fassen. Zwei gegenüberliegende Grandeln ergeben eine Herzform, darunter wurde ein kleines Schlößchen angebracht, rechts und links davon hingen zwei Schlüsselchen. So hatte jeder seinen Schlüssel zum Herzen des anderen.

Eine Zeitlang galt es als sehr fein, seiner Liebsten eine Haarlocke zu verehren. Diese Haarlocke wurde geflochten und an den zusammenstoßenden Enden mit einer Goldplatte versehen, auf der die Initialen des Schenkenden eingraviert wurden. Da diese Haarringe nicht mit Wasser in Berührung kommen durften, wurden sie später mit Gold ummantelt, und ein kleines Kläppchen zum Oeffnen erinnerte die Beschenkte beim Betrachten der Haare an ihren Geliebten. Diese Ringe wurden immer kunstvoller. Während der Biedermeierzeit wurden auf Elfenbeinplatten Haare geklebt und auf diesen wiederum winzig kleine Perlchen, die zwei ineinanderliegende Ringe darstellen. Ein Ring befindet sich in der Ausstellung, der es zuläßt, die Haarlocke zu wechseln. Dieser Ring wäre bei der heutigen Haarmode up to date.

Mit wieviel Liebe mögen diese Ringe gearbeitet und geschenkt worden sein. Spricht nicht jeder Ring seine Sprache? Ist nicht jeder Ring Leben, Leben eines einzelnen, Zeitgeschichte einer Generation? Wer so die Ringe aus vier Jahrtausenden im „studio 18" betrachtet, wird feststellen, daß der Mensch des 20. Jahrhunderts seinen Vorfahren, ganz gleich in welcher Zeit, Respekt und Achtung zollen sollte. Denn Liebe währet ewiglich.

Der Westkurier berichtet im Juni 1966 unter Kultur: