Ausstellung im "studio 18"
Norbert Gerd Hartmann
Mischtechniken, Tuschen, Wachspastelle

10.Juni- 10. Juli 1965


 Ego 1951, Selbstbild Kohle (Z 1951.1).

Marokkanische Szene mit Esel
(9/WP) Z 1964.9 Wachspastell 400 x 300
Kleinstadt mit kahlen Bäumen, 1969, Öl (1969.26).

Buch, herausgegeben von Barbara Lipps-Kant
in Zusammenarbeit mit der Stadt Sindelfingen
ISBN: 3-928222-09-0

Als Künstler mit Ahlen verbunden
Norbert G. Hartmann stellt im "studio 18" aus

Ahlen, Seine Mutter wurde in Ahlen geboren, Schwester des hochgeachteten Gerhard Faust, Schornsteinfegermeister seines Zeichens und Vater sowohl des Bürgermeisters Herbert wie auch des Architekten Werner, die beide in ihrer Vaterstadt in Amt und Würden sind. Ihr Vetter also ist Norbert Gerd Hartmann, Meister der Mischtechniken, Tuschen und Waschpastelle, in Stuttgart als Maler und Grafiker tätig. Er zeigt vom 10. Juni bis zum 10. Juli seine Arbeiten im Ahlener "studio 18".

Am Donnerstag, dem 10. Juni, 19 Uhr, wird Bürgermeister Linnemann diese erste Ausstellung bildender Kunst, für welche die "Glocke" mehrfach das "studio" als ebenfalls vorzüglich geeignet empfohlen hat, eröffnen. Zahlreiche Gäste sind geladen. Die heimische Oeffentlichkeit wird dann einen Monat lang die Gelegenheit haben, den Bruder des Ahlener Zahnarztes Dr. Willi Hartmann als Künstler kennenzulernen. Diese Möglichkeit bot sich erst einmal, vor länger als 10 Jahren, bei der Eröffnung des Ahlener Stadttheaters: Damals waren Aquarelle von Norbert G. Hartmann angekauft und ausgestellt worden.

Der Künstler, dem Ahlen die Aufmerksamkeit nicht versagen sollte, ist 1914 in Dortmund geboren. Dort studierte er auch an der Kunstgewerbeschule bei Professor Herricht, Er ging dann zur Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart zu Professor Kolig und zur gleichrangigen Akademie in Königsberg, wo er sein Können bei Professor Partikel vervollkommnete.
Seit 1938 lebt Norbert G. Hartmann als freischaffender Künstler in Stuttgart, aber weite Studienfahrten haben ihn durch ganz Deutschland, durch Frankreich, Italien, Holland, Spanien, Marokko und in die skandinavischen Länder ebenso wie in die Schweiz geführt.
Seine Vorliebe gehört der Tafelmalerei jeder Thematik und Technik, der Illustration, der Grafik, der Wandmalerei in viel Techniken, und auch Glasfenster sind von ihm gestaltet worden. Er hat in Deutschland, in Paris und in Italien erfolgreich ausgestellt.
Im Bundeshaus Bonn, in der Deutschen Bundesbank, bei Ländervertretungen und Industriewerken sowie in deutschen wie ausländischen Privatsammlungen findet man Arbeiten von Norbert G. Hartmann, der auch zum Vorstand des Stuttgarter Künstlerbundes gehört und an der Dortmunder Volkshochschule mitarbeitet.
Von seinem weitgespannten Schaffensgebiet wird nach der Eröffnung der Ausstellung mehr noch zu berichten sein. G. D.


Ein Bericht aus der "Glocke" von Gerd Dietz, vom 4. Juni 1965:

Ausstellung im "studio 18"
Ahlen. Der Dortmunder Künstler Norbert Gerd Hartmann, dessen Verwandte in Ahlen wohnen, eröffnet am Donnerstag, 10. ]uni, eine Ausstellung seiner Werke im "studio 18", Hellstraße. Bürgermeister Linnemann wird die Gäste während der Eröffnungsfeier begrüßen. Die Ausstellung bleibt einen Monat in Ahlen.


Norbert G. Hartmann stellt bis zum 10. Juli aus:
Gemälde schmücken nun „studio 18"

Ahlen. Ein gut' Teil jenes originalen und herzhaft unbekümmerten "Draufgängertums", das er selber, eigentlich gar nicht einmal so unzufrieden, seinen frühen Lebens- und Schaffensjahren nachsagt, ist dem Maler und Grafiker Norbert G. Hartmann geblieben. Es macht ihn, so empfand man bei der Eröffnung seiner "studio-18"-Ausstellung am Donnerstagabend vor viel kunstinteressierten Freunden, liebenswert und als knorrigen Westfalen, auch wenn er seit langem, der gebürtige Dortmunder, nun in Stuttgart lebt und wirkt, nachweisbar kenntlich.
Daß und auf welche Weise Norbert G. Hartmann, Bruder des Ahlener Zahnarztes Dr. Hartmann, mit der Stadt Ahlen verwandtschaftlich verbunden ist, hat die "Glocke" in einer Vorankündigung zu dieser bemerkenswerten Ausstellung berichtet. -Bürgermeister Heinrich Linnemann sprach davon in seiner gutorientierten Eröffnungsrede im "studio 18", das mit geschickt gesetzten Stellwänden und überlegt gehängten Bildern seine von uns früher schon erhoffte Eignung für solch eine Gemäldedarstellung klar erwiesen hat.
Dem "studio"-Hausherrn, Goldschmiedemeister Werner Fischer, der Mitte Juli auch der Ahlener Webkünstlerin Herma Blum seine intimen, zur konzentrierten Betrachtung geradezu herausfordernden Räume bereitstellen wird, galt zu Recht der Dank des Stadtoberhauptes, an dessen Seite u. a. auch Oberkreisdirektor Dr. Löhr, Beigeordneter Heinrich Overesch und Stadtkämmerer Hase neben Persönlichkeiten z. B. aus den Bereichen von Kunst, Erziehung, aber auch der ernsthaften Justiz ihren Platz hatten. Der Frau Werner Fischers, die das "studio" zum „Musentempel" voller Fleiß verwandelt hatte, sagte der Künstler selber Gruß und Dank.
Man verstand sich gut, hochgewachsener, kerniger Maler und in Sachen "Publicity" ebenso wie in der filigranen Goldschmiedekunst erfahrener junger Ahlener Meister: Schließlich war auch Hartmanns Urgroßvater ein tüchtiger Goldschmiedemeister. Väterlicherseits übrigens ist Norbert G. Hartmann, dessen Mutter, wie berichtet, ein Ahlener Kind war, mit Warendorf verbunden.
Das "Wagnis des freischaffenden Künstlers", das in dieser nunmehr dritten Ausstellung seit der "studio"-Eröffnung deutlich wird, hob Bürgermeister Linnemann gebührend hervor. Er und die zahlreichen Eröffnungs-Gäste freuten sich, daß "Arbeiten der jüngsten Schaffenszeit Hartmanns" hier nun bis zum 10. Juli zu sehen sind. "Unterwegs sein, sammeln und komprimieren", so zeichnete treffend der Vorsitzende des Rates der Stadt die Vita des Künstlers. Vielen Besuchern wünschte er künstlerischen Genuß.

Kollege für den Kollegen

Wer besser als Ahlens kunstkundiger Studienrat Hermann Schweizer hätte vom Kollegen gebeten werden können, Einführendes vor diesen farbinteressanten Werken der Mischtechnik, den Tuschen und besonders reizvollen Wachspastellen, die fröhlich transparenten "japanischen" Glanz innehaben, den Gästen der Eröffnungsstunde zu sagen!
Schweizer entledigte sich denn auch geziemend kollegial, jedoch ebenso ernsthaft forschend seiner Aufgabe und dürfte Hartmanns künstlerisches Streben treffend gedeutet haben. "Das, was ihm zufällt", habe auch dieser Kunstschaffende angefaßt, aber es komme eben dabei stets darauf an, "was man daraus zu machen versteht." Der Maler Norbert G. Hartmann habe sich dem „Kampf zwischen Hell und Dunkel" gestellt, eine seltene Synthese von „Erlebtem und Gestalterischem aus dem Spiel der Mittel" gefunden, den Menschen faszinierend hineingebettet in "zerbröckelnde Landschaftskulissen" und in seinen farblichen Nuancen „klares Bewußtsein von Wärme und Kühle" in erlebten Spannungsunterschiedlichkeiten zum Ausdruck bringen können.
In der Tat macht das wohl am ehesten die Eigenart Hartmanns aus: „Seine Palette bevorzugt — so hat es der Feuilleton-Chef der "Glocke", Dr. Ulrich Gehre, aus Anlaß einer Dortmunder Hartmann-Ausstellung geschrieben — "die kräftigen, leuchtenden Farben, die mitunter einen geradezu perlmutthaften Glanz ausstrahlen. Diese intensive Farbigkeit, die die Transparenz der klassischen Pleinairisten bewußt vermeidet, ist das untrügliche Kennzeichen Norbert G. Hartmanns."

 


Studienrat Hermann Schweitzer

Kunstbesuch des "club 64" im "studio 18"
Vor den Arbeiten des Malers Norbert G. Hartmann

Ahlen. Gründlicher noch als ohnehin bei der Eröffnungsfeier in der kollegialen, aber auch kritisch-sachverständigen Untersuchung von Studienrat Schweizer vor den Arbeiten des Malers und Grafikers Norbert G. Hartmann haben die Mitglieder des "club
64", der aus der VHS-Arbeitsgemeinschaft "Presse" hervorgegangen ist, jetzt diese Ausstellung im "studio 18" unter die Lupe genommen. Sie hatten dabei zahlreiche Gäste, die diesen Abend nutzten, um aus den kleinen Dingen des Alltags hinauszugelangen
zu der Betrachtung des Künstlerischen, das Licht in unser Leben zu bringen geeignet ist.
Hermann Schweizer, selbst Maler von Eigenart und Begabung, vom Verlust der gleichfalls künstlerisch schaffenden Gattin Ruda Schweizer-Dönges unlängst unter Mitempfinden vieler Freunde hart getroffen, sagte vor Hartmanns Bildern mehr als nur Erläuterndes. Er gab in manch unmißverständlicher Randbemerkung notwendigen Hinweis auf verquere Entwicklungen der allzu satt gewordenen Wirtschaftswunderwelt unserer Tage: "Praktisch beharren wir im fetten Wohlstandsbürgertum, was die Kultur angeht, heute auf dem Stand von 1900." Am Rande, so geißelt Schweizer das Abseitige, geschehe der "Ausverkauf der Kunst" und selbst "München ist wenig mehr als nur noch ein Gerumpel".

Norbert G. Hartmann sei ein Künstler, so bekundet Schweizer, dessen Weg nicht ausgetretene Pfade gehe. Er hat Ursprüngliches. Er setzt sich geistig auseinander. Er sucht Natürliches wiederzufinden und zu vermitteln entgegen mancherlei negativen Entwicklungen von heut' und morgen. Eigentlich setzt der 1896 geborene Norbert G: Hartmann, verwandtschaftlich mit Ahlen bekanntlich verbunden, den Weg der Worpsweder Künstlerkolonie fort: Sie wollte die Bindung des Menschen an die Landschaft deutlich werden lassen. Der daraus gewonnene Kraftstrom werde, sagt Hermann Schweizer, bei Hartmann erkennbar. Seine Farbvariationen vom kühlen Blau-Grün bis
zum warmen Rötlich-Gelb können faszinieren an diesen von der Ahlener Kulturgesellschaft freundlich beigesteuerten Stellwänden.
Schweizer, dem alle Achtsamkeit der nahezu 40 Ausstellungsbesucher gehörte, deutete Feinheiten der Hartmannschen Kompositionen, die Art seiner Verwendung des Materials auf dem gewalzten, holzgeschöpften Papier, die Porträts in morbid zerfallender Landschaft, die Bereitschaft zur künstlerischen Aussage, welche mit technischer "Perfektion" nichts zu tun hat: „Geschicklichkeit allein ist oberflächlich und verhindert sogar Künstlerisches." Man solle die modernen Mittel der Werbung ("diese ekelhafte Fernsehwerbung zum Beispiel"!) nicht mit Kunst verwechseln.
Hartmann liebt die freudig farbige Welt, aber er respektiert auch Stilles und Intimes. In seinen Wachspastell-Arbeiten wird das Spiel mit dem Material offenkundig: Der Rhythmus der Anordnung, der "gelenkte Zu-Fall", die Arbeit mit dem farbigen Fleck, der Sinn in der strukturellen Ordnung, das teils abstrakte Spiel zwischen Tempera und Aquarell und das Bemühen, um Einheit von Architektur und Landschaft: „Da gibt es - wie das ,Steilufer' - köstliche Blätter von echter künstlerischer Qualität.
Allgemeiner Wunsch derer, die Hermann Schweizer dankbar folgten: Eine Ausstellung mit Werken seiner Frau! Eine Fritz-Winter-Ausstellung für den Herbst bereitet Hermann Schweizer vor. Mitte Juli wird im "studio 18" die Webkünstlerin Herma Blum Einblick in ihr Schaffen geben. Amateur-Fotografien von Mitgliedern des "club 64" aus ihrem Urlaub sollen gleichfalls im Herbst im „studio 18" gezeigt und prämiiert werden.
G. D.
Bericht aus der "Glocke" vom 21. Juni 1965, Fotos von Gerd Dietz